Arenz, Ewald

Alte Sorten

Roman

Sally, 17 Jahre alt, von Eltern und Schule als psychisch krank gesehen, ist aus der Klinik abgehauen. Unterwegs auf dem Land trifft sie Liss, die in ihrem Weinberg arbeitet. Sie bittet Sally um Hilfe und bietet ihr an, auf ihrem Hof zu schlafen. So beginnt die Geschichte der beiden Frauen.

Während Sallys Hintergrund bald klar ist, wird die Lebensgeschichte von Liss über das ganze Buch erzählt: Sie ist Ende 40, lebt in einem Dorf, sozial isoliert, als Selbstversorgerin auf einem großen Hof.
Liss nimmt Sally auf, fragt sie nicht aus, wie die anderen Erwachsenen und akzeptiert die Jugendliche, wie sie ist. Ihr Kennenlernen entwickelt sich nicht durch Reden, sondern die gemeinsame Arbeit bei der Kartoffelernte, im Birnengarten und mit den Bienen.

Ewald Arenz erzählt zuerst langsam, mit Blick auf die Alltagsdetails der Frauen. Dann entsteht Spannung, weil klar ist, dass Sallys Eltern irgendwann auftauchen werden und dass Liss‘ Vergangenheit einen starken Einfluss hat.

Auf den ersten Blick ist „Alte Sorten“ ein absolutes feel good Buch, das auch sprachlich leicht zu lesen ist: Der Herbst in der – vermutlich – fränkischen Weinbaulandschaft am Main mit der sinnlichen Beschreibung von Düften, Geschmäckern und Farben. Die interessant erzählten Details zu Bienenzucht, Obstanbau und Schnapsbrennerei. Die nicht konfliktfreie, aber zugewandte Freundschaft der älteren und jüngeren Frau, die sie auch schwere Wege zusammen gehen lässt. Zwei verwundete, aber starke Frauen, die der Autor mit der Nebenfigur der alten Dorfbewohnerin Anni zu einem Bild von drei Generationen komplettiert.

Dahinter geht es um existenzielle Themen wie die Möglichkeiten der Lebensgestaltung, das Bewusstsein für das Wesentliche im Leben, Individualität und Zugehörigkeit sowie die Diskrepanz zwischen dem Bild, das sich andere von einer Person machen und ihren Kämpfen mit sich selbst.

Es ist wohl dieses Angebot, sich individuell tief auf das Buch einzulassen, das es seit Erscheinen zu einem Bestseller macht. Ewald Arenz hat mit „Alte Sorten“ ein modernes Märchen zum Thema Freiheit und Selbstbestimmung geschrieben: „Vielleicht konnte man einen halben Tag lang so tun, als ginge einen das eigene Leben nichts an.“

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