Conrad, Joseph: Herz der Finsternis
dtv Verlag
erschienen: 2009
ISBN: 978-3-423-13338-8
Taschenbuch
143 Seiten
Preis: 11,00 EUR

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Conrad, Joseph


Herz der Finsternis


Roman


Wenn ein Werk der Weltliteratur neu übersetzt wird, ist das ein guter Anlass, es von der Das-wollte-ich-schon-immer-mal-lesen-Liste zu streichen und ihm endlich zu begegnen – wie nun Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“ von 1899 in der bei dtv erschienenen Übersetzung von Sophie Zeitz. Die Erzählung des englischen Kapitäns Marlowe von seiner Reise mit einem Schaufelraddampfer in das Innere des afrikanischen Kontinents hat seit ihrem Erscheinen die LeserInnen ebenso gefesselt wie irritiert. Die inhaltliche Vieldeutigkeit und die literarische Stärke des Buches zeigen sich in seiner Rezeptionsgeschichte: Entstanden zur gleichen Zeit wie Sigmund Freuds Theorien über das Unbewusste und die Traumdeutung, bietet Conrads Reisebeschreibung unzählige Bilder, die sich im Sinne Freuds interpretieren lassen. Ein weiterer Ansatz zum Verständnis ist der autobiographische Hintergrund: Conrad ist selbst zwanzig Jahre zur See gefahren und reiste 1890 als Angestellter einer belgischen Handelsgesellschaft in den Kongo, von wo er schwer krank zurückkehrte.

Erst 1975 thematisierte der nigerianische Autor Chinua Achebe die scheinbar rassistische Darstellung der Schwarzen. Deren Verständnis als „Wilde“ ist typisch für Conrads Epoche, in der die Kolonialisierung Afrikas noch als legitime Erweiterung des Wirtschaftsraums der „zivilisierten“ Welt verstanden wurde. Aber Conrad übernimmt nicht die zeittypische Begeisterung für die Eroberung des fremden Kontinents, sondern zeigt das Scheitern der Weißen sowohl an der übermächtigen Natur als auch an ihrer maßlosen Habgier und Selbstüberschätzung.
Aus heutiger Sicht bietet der Roman eine weitere Variante des Verständnisses: Er zeigt, wie dünn die Schicht der Zivilisation über den zerstörerischen Kräften des Menschen liegt und wie wenig es bedarf, um diese Hülle aufzubrechen und Handlungen freizusetzen, die im geregelten Alltag völlig unmöglich erscheinen. In Kapitän Marlowes Geschichte sind es die Mitarbeiter einer Handelskompanie, die um des Profits willen Gesetz und Mitgefühl hinter sich lassen. In unserer Zeit sind es amerikanische Soldaten, die im Irak Gefangene misshandeln oder Terroristen, die ideologische Ideen über den Verlust von zahlreichen Menschenleben stellen. Das „Böse“ im Menschen ist damit das aktuelle und zeitlose Thema in Conrads „Herz der Finsternis“.

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